Fondazione Silene Giannini
 
Fondazione Silene Giannini
Silene Giannini
Silene Giannini liebte das Leben, das Beisammensein, Lachen und Scherzen. Bei einem Glas guten Weissweins und mit einer Zigarette zwischen den Fingern führte sie gern lange Gespräche und erzählte von ihren unzähligen exotischen Abenteuern. Auf Phasen euphorischer Kreativität folgten jedoch immer wieder solche in sich gekehrter, von Zweifeln gequälter Stille. Mutig begegnete sie diesen Episoden, um sie mit gesundem Menschenverstand und positiver Einstellung zu überwinden. Doch plötzlich und unverhofft kam die Zerrissenheit zurück, brach sich Bahn in verzweifelten, wütenden Worten. So wurde es langsam leerer und stiller, und eine von Schwermut und Trauer erfüllte Leere blieb.
Einige wenige aufrichtige Freunde aber wussten ihre fesselnde und strahlende Persönlichkeit zu schätzen und ihre spontane Authentizität zu verstehen und zu dulden. Bis zu ihrem Ende hielten sie zu ihr.
WER WAR SILENE GIANNINI?
Ihre engste Freundin erzählt
Unbestritten war die Gründerin der gleichnamigen Stiftung eine aussergewöhnliche Persönlichkeit, grosszügig und behutsam, zuweilen misstrauisch, aber auch abenteuerlustig und tiefsinnig; auf jeden Fall recht komplex. Mir fällt es schwer, ihre Art zu beschreiben. Wahrscheinlich bin ich ihre letzte verbliebene Freundin gewesen. Unsere Wege kreuzten sich erst spät, und ich weiss recht wenig von ihr. Somit gebe ich meine Erinnerung an Silene weiter, wie sie mir im Sinn und im Herzen geblieben ist.
Zuerst einige allgemeine Informationen welche mir freundlicherweise von der Gemeinde Cugnasco, dem Ort, an dem Silene lange mit ihren Eltern wie auch nach ihrer Scheidung gelebt hat, zur Verfügung gestellt worden sind. Silene Franca Giannini – aus Quinto und Isérables (VS) – kam am 9. Januar 1953 in Mendrisio als einzige Tochter von Luigi Giannini und Elsa Giannini geb. Firanza zur Welt.
Wahrscheinlich lebte die Familie – man weiss es nicht genau –, in der Gegend von Lugano. Anschliessend zog sie nach Quinto und im Jahr 1969 nach Cugnasco, wo die Mutter ein ehemaliges Kloster erbte, welches zum Restaurant "La Locanda" mit Gästezimmern umgebaut wurde. Heute befindet sich dort das Rathaus des Dorfes. Die Eltern hofften, dass Silene in das Familienunternehmen einsteigen würde. Um sie nicht zu enttäuschen, aber ohne Begeisterung, besuchte sie deshalb die Handelsschule und lebte bis zu ihrer Eheschliessung mit Gérard Monnet im Jahr 1980 bei ihren Eltern.
Nach der Scheidung im Jahr 1985 kehrte sie nach Cugnasco zurück, wo sie zirka 20 Jahre lebte, bevor sie nach Gordola zog. Das Restaurant "La Locanda" blieb nach dem Tod ihrer Eltern geschlossen.
Mit ihrem Erbe konnte Silene ihren Lebensunterhalt sorgenfrei finanzieren. Jetzt wollte sie "ihr echtes Leben" leben, das Leben einer jungen, emanzipierten, ruhelosen, rebellischen Frau. Es verlangte sie nach aussergewöhnlichen, interessanten, prickelnden Erlebnissen.
Endlich konnte sie sich einem wesentlichen Aspekt ihrer Persönlichkeit widmen, den bis dahin das Umfeld, in dem sie aufgewachsen war, behindert hatte: ihre tiefgreifende künstlerische und geistige Berufung.
LEIDENSCHAFT FÜR DIE KUNST
Als Kunstliebhaberin, die vor allem zeitgenössisch gegenständliche Kunst schätzte, konnte sie dieser Leidenschaft freien Lauf lassen. Fast fünf Jahre besuchte sie mit Begeisterung die Schule des berühmten Künstlers Nando Snozzi. Ihre späte Bestimmung drückte sich in einer regen Tätigkeit als Amateurmalerin aus. Es entstanden zahlreiche farbenfrohe "naive" Gemälde, in denen sie tiefe Gedanken und Gefühle auslebte. Silene interessierte sich ebenfalls für Psychologie, fühlte sich von orientalischer Philosophie, von der Symbolik des Tarots, von altägyptischen bis neuzeitlichen Mysterien-Schulen angezogen.
Sie erlebte Bewusstseinserweiterung unter Hypnose, nahm eine Ausbildung zur humanistisch-existentiellen Beraterin am CREA in Mailand in Angriff, die sie jedoch nicht abschloss; Freiheitsdrang und Reiselust waren zu gross, um sich binden zu lassen.
Oft zog sie es nach Indien, wo sie allein auf Abenteuerreise ging. In den letzten Jahren ihres Lebens folgte sie der Lehre eines spirituellen Meisters, der zugleich Musiker war und eine eher unkonventionelle Art besass, eine schillernde und alternative, wie sie nach der Rückkehr mit grosser Begeisterung berichtete. Im gesamten Haus roch es nach Weihrauch und Zigaretten. Überall waren exotische Objekte zu sehen, oft in leuchtenden Farben, die sie von ihren vielen Reisen mitgebracht hatte. Einige waren Kuriositäten, andere wertvolle authentische Kunstwerke. Darunter befanden sich mehrere Darstellungen des Buddha und hinduistischer Gottheiten aus edlen Materialien wie Sandelholz, einer geheimen Legierung aus acht Metallen, denen aussergewöhnliche Tugenden zugeschrieben werden. Auch aus Halbedelsteinen geschliffene Gottheiten aus klarem Bergkristall oder Labradorit, einem Stein, der die Kreativität steigern und die Intuition stärken soll, waren Teile ihres Inventars. Ihr Haus hatte die Anmutung aus Tausendundeiner Nacht.
Als sie erfuhr, sie sei an Lungenkrebs erkrankt, blieb sie dennoch ihren Prinzipien treu, lehnte jede Behandlung ab, lebte weiter wie bisher, rauchte, genoss Weisswein und reiste durch die Welt, als sei nichts geschehen, bis sich ihr Gesundheitszustand Ende 2013 schlagartig verschlechterte. Nur wenige Monate später, am 20. Februar 2014, verstarb Silene in ihrem schönen Haus oberhalb von Gordola, wo sie mit ihren zwei Katzen und herrlichem Blick auf den See die letzten zehn Jahre ihres Lebens verbracht hatte.
Ihrem Wunsch entsprechend - an einem schönen Frühlingsmorgen -,begleitet von liebevollen Gedanken und Worten, sahen Silenes Freunde ihre Urne in den dunkelblauen Gewässern ihres geliebten Lago Maggiore langsam versinken.
STIFTUNGSZWECK
Da sie keine Erben hinterliess, waren es die Freunde, die ihr vor allem in der letzten Zeit ihres Lebens zur Seite standen, die sich auch einsetzten, dass ihr grösster Traum in Erfüllung gehen konnte: Die Gründung einer Stiftung mit dem Ziel, "die Unterstützung von Künstlern zu gewährleisten, die sich auf dem Gebiet der figurativen Künste wie Malerei, Bildhauerei, Fotografie und Grafik, auszeichnen".
Nachträglich kann Silene beitragen, dass andere die Chance erhalten, die ihr als Mädchen verwehrt geblieben ist: Talent und künstlerische Leidenschaft zu erforschen, auszudrücken und zu entwickeln, damit ihre Botschaft in der Welt gesehen, gewürdigt und "lebendig" erhalten werden kann.
Lang lebe die "SILENE GIANNINI STIFTUNG". Mögen die Träume, aus der sie entstanden ist, für viele talentierte, bisher mehr oder weniger unbekannte Künstlerinnen und Künstler in Erfüllung gehen.